Mit maginalen Abweichungen wird derzeit als angeblich gesicherte Erkenntnis immer wieder behauptet, dass es sich beim aktuellen Unfallgeschehen zu ca. 90 % um Fehlverhalten der beteiligten Menschen handelt.
Einem gelernten Betriebsschlosser trifft diese Aussage ins Herz.
In der Wahrnehmung der Mitarbeiter schwingt immer mit: >Selbst schuld<.
Wird größere ‚Sensibilität‘ oder höheres ‚Sicherheitsbewusstsein‘ lediglich mit höherer Aufmerksamkeit, mehr Aufpassen, größerer Achtsamkeit, intensiverer Konzentration gleichgesetzt, kann diese Haltung zu dem oberflächlichen (Trug)Schluss führen:
„Sind alle sensibilisiert, brauchen wir nichts mehr zu tun. Wir haben ja schon so viel getan.“
Sensible Mitarbeiter mit ausgeprägtem Sicherheitsbewusstsein stellen Ansprüche. Es kann als klares Anzeichen erhöhter Sensibilität gewertet werden, wenn Mitarbeiter Forderungen nach Verbesserungen stellen. Wird den Wünschen nicht entsprochen, wird sensibles Verhalten als ‚unerwünscht‘ interpretiert und ist gleich wieder erschlagen.
„Sei sensibel, aber stell keine Forderungen“ passt nicht zusammen.
Tatsächlich kann im Arbeitsschutz als gesicherte Erkenntnis gelten, dass ein Unfall immer ein ganzes Bündel von Ursachen hat. Wer bei einer einzigen Ursache aufhört zu analysieren, begeht einen schwerwiegenden Fehler.
Diese Tatsache darf nicht vergessen werden.

Allerdings gilt die Aussage: „In 90 % der Ereignisse sind Verhaltensanteile auch mit dabei.“ Aber das ist eine grundlegend andere Aussage als: „90 % sind verhaltensbedingt“.
Welchen Anteil das „Verhalten“ hatte und ob das „Verhalten“ alleinig
ausschlaggebend war ist eine Frage, die nicht so eindeutig zu beantworten ist.
Im Arbeitsschutz wurde lange Jahre darüber diskutiert, inwieweit die Verhältnisse das Verhalten bestimmen. Mitarbeiter müssen ausgebildet werden in Gefahrensituationen angemessene Entscheidungen zu treffen. Das ist eine Aufgabe der Personalentwicklung.
Weil Verhaltensanteile in einem hohen Maß auch mit dabei sind, lohnt es sich darüber nachzudenken, ob und wie darauf eingewirkt werden kann.