Widersprüche im Arbeitsschutz, Teil XIII – Kollektivstrafen!

Kollektiv – Kultur der Prävention – Widersprüche

Wenn der Maßstab für zusätzliche Sicherheitsregeln jeweils das schlechteste Beispiel oder das Missgeschick eines schlecht ausgebildeten Mitarbeiters ist, fühlen sich alle anderen kollektiv bestraft. Mitarbeiter vermeiden die Meldung eines Ereignisses, wenn befürchtet wird, dass dadurch Maßnahmen beschlossen werde, welche die Freiheitsgrade einschränken oder Privilegien verloren gehen (Radfahren wird untersagt, weil jemand gestürzt ist). Der entsprechende Mitarbeiter wird hernach möglicherweise auch von Kollegen als ursächlich für empfundene Nachteile drangsaliert („Nur weil Du…, müssen wir jetzt.“)

Vielleicht können Modelle entwickelt werden, bei denen qualifizierte Mitarbeiter mehr freie Entscheidungsspielräume erhalten als Mitarbeiter, die vorausgehende Qualifizierungen noch nicht nachgewiesen haben. Dass die Schere für größere Freiheitsgrade immer weiter aufgeht je mehr Pluspunkte jemand gesammelt hat. Der schmale Grat zwischen Mut und Leichtsinn liegt genau da, wo es klappt oder wo es schiefgeht.

Widersprüche im Arbeitsschutz, Teil XII/XII – Sensibilität stellt Forderungen!

Wer sensibilisiert ist passt besser auf?

Unsensiblen Mitarbeitern sind die Verhältnisse und Abläufe gleichgültig. Sensibilisierte Mitarbeiter sind aufmerksamer, fordern aber auch Verbesserungen. Der Wunsch nach Verbesserung ist ein Maß für die erreichte Sensibilität. „Sei sensibel, aber stell keine Forderungen!“ passt nicht zusammen. Werden Wünsche und Bedürfnisse nicht berücksichtigt, ist eine erreichte Sensibilität sofort wieder erschlagen.

Widersprüche im Arbeitsschutz, Teil XI/XII – Gefühltes Risiko

Die Gefährdungsbeurteilung (GB) wird von Experten propagiert, abverlangt und für gut befunden. Entscheidend für abgeleitete Maßnahmen ist die Risikoeinschätzung identifizierter Risikoarten innerhalb einer Gefährdungsbeurteilung.

Entscheidet ein Mitarbeiter nach seiner PRIVATEN Gefährdungsbeurteilung, die dann auch noch geringer ausfällt als die Expertenbeurteilung, wird dies kaum geduldet oder zugelassen. Werden abweichende Beurteilungen nicht berücksichtigt, führt diese Situation sehr schnell zu Frustration, Vertrauensverlust und Verweigerung.

Ein Stück weit kann dieser Falle entronnen werden, wenn Mitarbeiter bei der Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung einbezogen werden, so wie es auch dringend angeraten ist. Allein die Diskussion verschiedener Perspektiven auf das gleiche Problem, führt zu einer höheren Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz.

Zur Verwendung der Input-Methode „Gefühltes RisikoAudit“, die jeder Mitarbeiter sofort versteht, siehe: https://www.institut-input.de/risikoaudit.html

Widersprüche im Arbeitsschutz, Teil X/XII – Risikobewältigung

Manager, Führungskräfte oder Sicherheitsexperten, die von der Belegschaft erwarten, dass unnötige Risiken vermieden werden (z.B. Handlauf anfassen), aber selber in Autobahnbaustellen die linke Spur befahren, müssen hervorragende Schauspieltalente sein. Verantwortliche, die sich so verhalten, können die Ideen der Risikominimierung nicht glaubwürdig transportieren.

Mitarbeiter besitzen eine hohe Sensibilität dem gegenüber, was zwischen den Zeilen geschrieben steht. Es kann schnell als arrogant empfunden werden, wenn jemand für sich in Anspruch nimmt, Risiken zu beherrschen aber anderen diese Fähigkeit pauschal abspricht. Ist die Glaubwürdigkeit verloren, ist sie nur schwer wieder herzustellen. Auch wirkliche Besorgnis wird dann nicht mehr ernst genommen.

Widersprüche im Arbeitsschutz, Teil IX/XII – Ein dummer Unfall!

Es gibt keine intelligenten Unfälle!

Im Nachhinein betrachtet kann jeder Unfall als „DUMM“ bezeichnet werden. Im Nachhinein weiß jeder sofort, was man hätte tun können/müssen. Geht eine Kommission bei einer Unfallanalyse mit der Voreinstellung in ein Gespräch, dass der Unfall aus „Dummheit“ geschehen ist, werden die Fragestellungen mit hoher Wahrscheinlichkeit so lauten, dass diese Haltungen Bestätigung findet.

Die rein verbale Betonung, dass kein Schuldiger gesucht wird, sondern nur die faktischen Ursachen, hilft nicht weiter, wenn das Image eines Unfall-Analysegesprächs bereits als „Tribunal“ verschrien ist. Sitzt ein Verunfallter mit 3 oder 4 Teilnehmern ja am Tisch, die er sonst nur aus der Werkszeitschrift kennt, reicht diese Situation aus, um sich sehr klein vorzukommen. Wenn dann noch das Analysebuch zugeklappt wird, nachdem der Verunfallte gesagt hat: „…muss ich wohl einen Fehler gemacht haben.“, bestätigen sich die Vorahnungen aller Teilnehmer. Für die Analysten ist nach einer solchen Aussage klar: „Der Unfall war verhaltensbedingt!“

Eine solche Vorgehensweise führt zur Einschüchterung des Delinquenten. Das Ergebnis hilft nicht bei der Vermeidung zukünftiger Ereignisse.

Was kann getan werden, damit der Zufall keine Chance hat?

Widersprüche im Arbeitsschutz, Teil VIII/XII – Draufgänger

Verhaltensweisen in Unternehmen sind auch immer ein Abbild der Gesellschaft.

Im Fernsehen und im Internet wird ein Boxkampf besonders bejubelt, wenn der Gegner besinnungslos geschlagen wird. Sonst wird ein Kampf nicht als spannend erlebt. Beim Fußball lieben Management, Führungskräfte und Mitarbeiter das aggressive Forechecking, ohne den ein Sieg nicht mehr möglich scheint. Wer zurückzieht verliert.

Der Arbeitsschutz verbietet jegliche draufgängerische Handlungen.

Können Mitarbeiter am Werkstor den Schalter im Kopf umlegen und in eine andere Welt eintreten?

Widersprüche im Arbeitsschutz, Teil VII – Verhaltensbedingte Unfälle

Manager und Sicherheitsexperten behaupten vermehrt, dass 90, oder gar 100% der Unfallereignisse verhaltensbedingt sind. Mit diese Aussage, wird ein Unfall auf eine einzige Ursache reduziert. Das steht im Widerspruch zu der über Generationen gültigen Aussage, dass ein Unfall immer ein ganzes Bündel von Ursachen in sich birgt.

Wenn 90 % als „verhaltensbedingt“ analysiert werden, wird auf eine einzige Unfallursache reduziert. Beide Aussagen widersprechen sich. Entweder haben wir in keinem Fall nur eine einzige Ursache oder wir vereinfachen doch auf eine einzige Ursache. Allerdings kann nur eine Aussage stimmen. Wenn der Mitarbeiter im Analysegespräch endlich sagt: „Da muss ich wohl einen Fehler gemacht haben“, wird das Analysebuch mit gutem Gewissen zugeschlagen. Die Verhältnisse können bleiben wie sie sind. Technisch und organisatorisch wurde ja bereits alles getan.

Menschen sind nun mal fehlerhafte Wesen. Wenn dem nicht so wäre, würden wir noch in Höhlen leben. Ist wirklich alles technische und organisatorische getan worden, damit Fehler keine fatalen Auswirkungen haben? Auch Manager und Führungskräfte machen Fehler. Vielleicht kosten solche Fehler Arbeitsplätze, merkt aber niemand. Die Lösung lautete: „In 90 % der Ereignisse sind Verhaltensanteile auch mit dabei.“ Eine fast gleichlautende Aussage, aber inhaltlich ein riesiger Unterschied. Da es aber fast immer auch einen Verhaltensanteil gibt, lohnt es sich darüber nachzudenken, ob und wie dieser reduziert werden kann. Wie groß der Verhaltensanteil am Geschehen ist, ist allerdings wieder eine ganz andere Frage.
(s. https://www.institut-input.de/kultur-der-praevention/)

Widersprüche im Arbeitsschutz, Teil VI – Null-Risiko

Unternehmen und Sicherheitsexperten erwarten von den Mitarbeitern, dass sie jedes Risiko vermeiden oder reduzieren. Risiken sind Teil des Lebens und Antriebsfeder im wirklichen Leben. Motorradfahrer, Lottospieler oder Fußballspieler wissen, dass die Bewältigung eines Risikos, Herausforderung und Genugtuung in sich birgt und Zufriedenheit auslöst. Ein Unternehmen, das am Markt nie ein Risiko eingeht, steht still. Klar, das Risiko muss überschaubar sein sowie kontrollierbar und steuerbar sein. Liegt nicht in beiden Positionen – das Unternehmen muss – der Mitarbeiter darf nicht – ein unauflöslicher Widerspruch? Auch wenn eine solche Bewertung nicht reflektiert und bewusst erfolgt, verwundert es, wenn ein Gefühl von Glaubwürdigkeit verloren geht?

Das Zauberwort heißt „Risikokompetenz“. Es geht darum, Risiken so zu optimieren, dass sie beherrschbar sind und eine entsprechende Handlungskompetenz bei Mitarbeitern auszubilden.

Widersprüche im Arbeitsschutz, Teil V – Motivation

Wenn akzeptiert wird, dass es einen Selbsterhaltungstrieb in jedem Menschen gibt oder so
etwas wie Arterhaltung in unseren Genen verankert ist, dann müssen die Ursachen für fehlende Motivation im Arbeitsschutz andere Gründe haben. Ein gesunder Mensch führt keinen Unfall bewusst herbei. „Nicht wollen“ kann sich also nur darauf beziehen, dass Menschen nicht das wollen, was WIR von ihnen wollen. Wenn andere Menschen motiviert werden sollen, soll ein
bestimmtes Verhalten in ihnen ausgelöst werden. Es soll bewirken, woran WIR interessiert sind.

Arbeitsschutz ist Erwachsenenbildung. Es ist leichter Menschen zu zwingen als sie zu
verstehen. Wenn mit Motivation gemeint ist, solange auf Mitarbeiter einzureden, bis
sie sich scheinbar endlich einer vorgetragenen Meinung anschließen, verschwimmen
Grenzen (…zur Manipulation). Ist es verwunderlich, wenn das daraus folgende Handeln
nur so weit reicht, wie das Auge des Anweisenden?

Inspiration entfacht ein Feuer, das Menschen von Innen bewegt. Inspiration ist die
Kraft der Begeisterung und weckt im Idealfall tiefe Leidenschaft. Menschen, Teams
und ganze Unternehmen, die inspiriert und begeistert sind, benötigen keine Motivation.

Widersprüche im Arbeitsschutz, Teil IV – Angstzuschlag

Meine Sammlung enthält ca. ein dutzend Widersprüche, die es erschweren Mitarbeiter und Führungskräfte nachhaltig zu sensibilisieren und für die Arbeitssicherheit zu begeistern. Heute der vierte Beitrag:

Die Beurteilung eines Risikos ist immer von individuellen Sichtweisen, verfügbaren Bewältigungsstrategien und persönlichen Erfahrungen abhängig. Für die Ableitung von Maßnahmen und Regeln, auf der Grundlage einer Risikoeinschätzung, sind Experten zuständig. Um nach einem Ereignis nicht dem Vorwurf ausgesetzt zu sein ein Risiko falsch prognostiziert zu haben, muss auf jeden Fall eine sichere Seite gewählt werden. Für viele Ereignisse liegen keine objektiven Statistiken vor. Sicherheitshalber muss zusätzlich zur individuellen Expertenbewertung ein „Angstzuschlag“ aufgesetzt werden. Ist der Angstzuschlag das Doppelte oder mehr als die tatsächliche Gefährdung, ist es nicht verwunderlich, wenn die daraus abgeleiteten Maßnahmen nur schwerlich akzeptiert werden. Wenn Regeln in hohem Maße ignoriert werden, kann man sich ständig über „Unbelehrbare“ ärgern, die Regeln durch verstärkte Kontrolle und ggf. Bestrafung durchsetzen oder aber überprüfen, ob die Bewertung und daraus folgende Konsequenzen überzogen war.

Empfinden Mitarbeiter die Arbeitssicherheit als Gegner und nicht etwa als ihren Anwalt, schwinden Vertrauen, Offenheit und Ehrlichkeit. Die Einhaltung von Regeln (Compliance) wird gesteigert, wenn Gefährdungen ohne übergroßen Angstzuschlag bewertet werden.